294. Brief — An Pater Hieronymus Gracián
Salamanka, am 4. Oktober 1579
Glückliche Nachrichten. Hausangelegenheit in Salamanka. Klage über die Priorin in Sevilla, die ihr bisheriges Haus verlassen will.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität!
Angela konnte sich bisher noch nicht ganz loswinden von dem Verdacht, den sie geschöpft hat. Es ist dies nicht zu verwundern; denn sie findet in nichts anderem einen Trost, und sie will auch keinen anderen haben. Zudem kommen, wie sie sagt, viele Prüfungen über sie, und ihre Natur ist schwach; darum betrübt sie sich auch, wenn sie sieht, daß ihr so schlecht vergolten wird. Sagen doch Euere Paternität um der Liebe willen jenem Edelmann, er möge, wenn er auch von Natur aus vergeßlich ist, wenigstens der Angela gegenüber nicht so sein; denn die Liebe kann da, wo sie sich findet, nicht so lange schlafen. Doch lassen wir das!
Ihr Kopfleiden geht mir sehr zu Herzen. Mäßigen Sie doch um Gottes willen Ihren Arbeitsdrang! Sie müssen beizeiten Vorsorge treffen, sonst werden Sie die Erfahrung machen, daß dem Übel nicht mehr abzuhelfen ist, auch wenn Sie es wollten. Lernen Sie sich selbst beherrschen, alles Übermaß vermeiden und werden Sie durch den Schaden anderer klug! Denn es handelt sich um die Ehre Gottes, und Sie sehen es ja selbst, wie notwendig Ihre Gesundheit für uns alle ist.
Ich muß Seine Majestät von ganzem Herzen lobpreisen, wenn ich sehe, welch guten Ausgang unsere Angelegenheiten nehmen. Dank seiner Erbarmungen dürfen wir sie nunmehr als abgeschlossen ansehen, und zwar werden sie auf eine solche Autorität gegründet, daß es klar ersichtlich ist, Gott selbst habe sie so geordnet. Wenn ich von der Hauptsache absehe, so freue ich mich besonders um Ihretwillen. Sie werden jetzt die Früchte Ihrer Mühen sehen; denn dadurch haben Sie sich, ich versichere Sie, diesen Ruhm verdient. Herrscht einmal in allem Friede, dann wird Ihnen große Freude und Ihrem Nachfolger ein kostbarer Gewinn erwachsen.
O mein Vater, wieviel Kummer macht mir doch dieses Haus in Salamanka! Nachdem schon alles abgeschlossen war, wußte es der Teufel dahin zu bringen, daß wir jetzt wieder ohne Haus sind. Es paßte uns von allen Häusern in Salamanka am besten, und auch der Verkäufer fand dabei genügenden Vorteil. Ach, man kann doch diesen Kindern Adams gar keinen Glauben schenken. Der Verkäufer hat uns das Haus selbst angeboten, und er ist ein Edelmann, der allgemein im Rufe steht, daß sein Wort ebensoviel gelte als ein schriftlich abgefaßter Vertrag. Er hat aber nicht bloß sein Wort gegeben, sondern es auch vor Zeugen mit seiner Namensunterschrift bekräftigt, und dies alles vor einem Notare, den er selbst beigezogen; trotzdem stößt er jetzt den Vertrag wieder um. Alles ist über eine solche Handlungsweise erstaunt, abgesehen von einigen Edelleuten, die ihn entweder aus eigenem Interesse oder zum Vorteil ihrer Verwandten dazu veranlaßt hatten; sie haben bei ihm mehr vermocht als jene, die ihre Vernunftgründe dagegen vorbrachten. Einer seiner Brüder, der diese Angelegenheit überaus entgegenkommend mit uns behandelt hat, ist sehr betrübt darüber. Wir haben nun die Sache dem Herrn empfohlen, und das wird das zuträglichste für uns sein. Es tut mir nur leid, daß ich in ganz Salamanka kein Haus finde, das etwas taugt!
O wenn die hiesigen Schwestern ein solches Haus hätten wie die in Sevilla, so würden sie meinen, im Himmel zu sein! Trotzdem macht mir die Priorin wegen ihrer Torheit großen Kummer; sie hat dadurch an Vertrauen bei mir sehr viel eingebüßt. Ich fürchte nur, es möchte der Teufel sich in dieses Kloster eingeschlichen haben, um es ganz zu zerstören.
[Wenn Euere Paternität mit jener Dame, von der Sie mir durch Doña Johanna einen Brief übersandten, zufrieden sind, dann bin ich es, ich versichere Sie, auch meinerseits; man hat sie mir hier schon als eine Person von großer Tugend geschildert, was in mir den Wunsch zeitigte, ihren Willen zu erfüllen. Aber man wird sie in Sevilla aufnehmen, wenn es Gottes Wille ist, daß sie aufgenommen wird.] Ich gewahre in diesem Kloster ein so kindisches Wesen, daß ich es nicht ertragen kann, und die dortige Priorin besitzt mehr Weltklugheit, als
es sich für ihren Stand geziemt. Deshalb fürchte ich, daß sie, wie ich es ihr schon früher bei meinem Aufenthalt in Sevilla sagte, mir gegenüber niemals aufrichtig gewesen sei. Ich hatte mit ihr, ich versichere Sie, während meiner Anwesenheit dortselbst einen schweren Stand. Da sie indessen später in ihren Briefen öfters innige Reue darüber bekundete, so glaubte ich, sie habe sich wenigstens, den Anzeichen nach zu schließen, gebessert. Es reicht schon hin, die armen Nonnen vor Einbildung krank zu machen, wenn sie ihnen beibringt, daß das Haus ganz ungesund sei. Ich habe ihr furchtbar ernste Briefe geschrieben, aber diese haben nicht mehr gefruchtet als ein Schlag ins Wasser. Sehen Euere Paternität, was mir eben Pater Nikolaus im beiliegenden Briefe schreibt! Wenn Sie glauben, daß Sie mehr Einfluß bei ihr haben, so lassen Sie ihr um der Liebe Gottes willen durch einen Pater schreiben! Nach meiner Ansicht wäre es für uns gut, nach Sevilla einige Nonnen zu schicken, die mehr Ansehen besitzen und so wichtige Geschäfte in entsprechender Weise führen können. Lassen doch Euere Paternität sogleich durch Pater Nikolaus an den Pater Prior schreiben, daß er dieser Priorin nicht mehr gestatte, darüber zu sprechen; denn wie es scheint, trifft auch den Pater Prior dabei viel Schuld. Nach meinem Dafürhalten bringt man dieses Haus sicher in schlechten Ruf, wenn man sagt, es sei ungesund. Denn die Nonnen wohnen dort am Ufer eines Flusses und würden, wie sie mir selbst berichten, nie mehr eine so herrliche Aussicht bekommen wie jetzt; und das ist doch für sie die beste Unterhaltung. In der ganzen Stadt hat ihr Haus die schönste Aussicht, und die hiesigen Nonnen beneiden sie sehr darum. Möge Gott hier Abhilfe schaffen!
Pater Nikolaus überbrachte mir einen Gruß von Ihnen; ich wünschte jedoch, Sie möchten nicht vergessen, mich unserem Herrn zu empfehlen; denn Sie könnten so sehr beschäftigt sein, daß Sie nicht daran dächten. Mit meiner Gesundheit steht es ziemlich gut. Die Mutter Priorin und alle Schwestern des hiesigen Klosters empfehlen sich Euerer Paternität recht angelegentlich. Gott behüte Sie und verleihe mir die Gnade, Sie wiederzusehen! Es ist schon über drei Uhr [nach Mitternacht].
Heute ist das Fest des heiligen Franziskus.
Euere Paternität unwürdige Dienerin und Tochter
Theresia von Jesu
